Falk von MixeryRawDeluxe im Interview

Falk nimmt mit seiner Sendung „MixeryRawDeluxe“ eine wichtige Rolle in der deutschen HipHop Szene ein. Ohne ihn wären viele interessante Geschichten nicht ans Licht der Welt gekommen und ohne seinen fundierten Einsatz für HipHop, wäre heute vieles anders – aber sicher nicht besser. Für Rappers.in hat er sich die Zeit genommen, die Seite zu wechseln und sich einmal selbst ein paar Fragen zu stellen.

Hier das komplette Interview von www.rappers.in:

Letzte Woche bekam ein Bekannter von mir zufällig von diesem Falk-Interview Wind. „Ach, das ist doch dieser Rapper, nicht wahr?“, war seine erste Reaktion. Meine Antwort daraufhin waren hochgezogene Augenbrauen und vorwurfsvolles Schweigen. Nein, Falk, das ist eben nicht „dieser Rapper“. Falk, das ist der Herr mit der Kolumne auf der letzten Seite der JUICE. Falk, das ist der so jung gebliebene Typ aus den Mixery Raw Deluxe Videos. Falk, das ist einer der größten Musikjournalisten auf unserem Gebiet dieser Zeit und ja, er hat auch „mal“ produziert, aber das war für uns nicht das Hauptaugenmerk bei diesem Interview. Denn Fakt ist: In unseren Augen sollte man Falk vor allem dafür eine Menge Respekt zollen, dass er einer derer war, die Menschen wie uns, die gerne über dieses Spiel berichten, den Weg maßgeblich geebnet hat.

weiter nach dem Jump…

rappers.in: Welche fünf Interviewfragen, die du selbst schon gestellt hast, würdest du gerne auch selbst mal beantworten?

Falk: Poah. (lacht) Keine Ahnung, der Punkt ist folgender: Wenn das jetzt so standardisierte Fragen wären… „Wen produzierst du?“, „Wen hast du gefeaturet?“ und so weiter – das wären ja so Standardfragen, die immer wieder auftauchen. Die find‘ ich ja eher langweilig. In der Sekunde, in der ich die in einem Interview stelle – das kann ich ja jetzt mal öffentlich machen – in der schwimm‘ ich dann schon. Da ist das Interview eigentlich vorbei, aber man muss noch Zeit füllen. Manchmal gibt’s auch Sekunden, in denen es mich tatsächlich interessiert und in denen es interessant ist. Aber bei den restlichen Fragen, die ich stelle, versuche ich Nicht-Standardfragen zu stellen, deswegen sind die dann individuell. Und deswegen müsste ich mich dann selbst auf mich vorbereiten. Das hab‘ ich noch nicht… (lacht)

rappers.in: Hast du denn Lieblingsthemen, über die du gerne sprichst?

Falk: Meinst du jetzt mich persönlich oder mich als Interviewer?

rappers.in: Dich als Interviewer.

Falk: Als Interviewer versuche ich, wenn es geht, an den Kern des Menschen heranzukommen. Also, wer ist der Mensch hinter dem Künstler und wie viel dieses Menschens steckt im Künstler. Und anders herum. Das ist so ’ne Form von Hobby-Psychologie. Und mit diesem Pseudo-Psycho-Wissen versuche ich, jemanden zu knacken. Manchmal gelingt’s, manchmal gelingt es nicht.

rappers.in: Liest du Lehrbücher dazu?

Falk: Nein. Du?

rappers.in: Ja klar, Unmengen. Nein.

Falk: Jetzt hast du mich aber enttäuscht. (Gelächter)

rappers.in: Wir haben eine These für dich, die neulich mal wieder für eine hitzige Diskussion gesorgt hat: „Nur wenn man mindestens ein Element der HipHop-Kultur zu seinem eigenen gemacht hat, ist man ein Teil von ihr.“ Lässt es sich für dich denn irgendwie eingrenzen, ab wann man dazugehört?

Falk: Das ist ja ’ne sehr alte Ansichtsweise. Und ich kann verstehen, wenn Leute das so sehen. Wenn du Torch fragen würdest, würde er dir erklären, dass es nicht reicht, ein Element auszuüben, sondern dass du eigentlich alle Elemente ausüben musst. Und ich verstehe Torch – was er damit meint, und auch, was er damit repräsentiert. Ich sehe es aber so, dass eine Kultur so etwas wie ein lebendes Wesen ist. Und Traditionen sind so etwas wie die Eltern von diesem Lebewesen. Und natürlich sollte man schon auf die Eltern hören, denn immerhin wissen die Eltern meist, was gut für ihr Kind ist. Aber die Zeiten und die Umwelt und die Sichtweisen, mit denen wir alltäglich konfrontiert sind, ändern sich eben im Verlauf einer Existenz. Und deshalb muss das Lebewesen im Prozess des Erwachsenwerdens immer wieder kontrollieren, ob alle Vorgaben der Eltern noch passend sind oder nicht. Dabei passieren auch viele Fehler, aber manchmal muss man da durch, um zu wissen, was richtig ist. Und so, wie sich das alles entwickelt hat, finde ich, dass jemand, der sich mit der HipHop Kultur auseinandersetzt – und sei es nur geistig – und sich dazu bekennt, HipHop zu sein, mit allem Guten wie Schlechtem, was dazugehört, der ist auch HipHop. Somit ist auch jemand, der nicht tanzt, malt oder Musik macht, Teil der Kultur. So sehe ich das. Punkt.

rappers.in: Du musst beruflich Unmengen von Musik hören und sie mit einer professionellen Einstellung betrachten. Empfindest du sie denn bei diesem Hören anders als wenn du sie privat hören würdest?

Falk: Ja, ich höre mir Musik an und finde ungefähr 80% scheiße. Interessiert mich persönlich gar nicht, hör‘ ich auch nicht, läuft nicht in meiner Anlage im Auto, beim Kochen, zum Essen, gar nicht. Aber darum geht’s halt nicht. Mein Job ist es nicht, meinen Geschmack zwingend zu vermitteln, sondern die Themen, die für das Publikum relevant sind, versuchen zu finden und die dann zu präsentieren. Da ich natürlich kein Roboter oder Beamter mit Ärmelschoner bin, nehme ich natürlich auch mal Inhalte, die mir selbst gut gefallen, und versuch‘, die zu pushen, aber das kommt vielleicht ein- oder zweimal im Jahr vor. Aber das sollte nicht das Hauptziel des journalistischen Berufs sein. Da geht es darum, Inhalte zu vermitteln. Und dazu muss man die nicht privat feiern. Ich höre zum Beispiel keine Johnny-Cash-Platten. Aber trotzdem interessiert mich dieser Mann. Also, ich habe „Walk the Line“ gesehen, Interviews und Dokus gesehen, habe seine Arbeit mit Rick Rubin gecheckt und Interviews dazu gelesen. Und ich finde den Song „Hurt“ und das Video dazu eines der gleichzeitig stolzesten und kraftvollsten, aber auch traurigsten musikalischen Werke aller Zeiten. Ich kenne nichts, das in vier Minuten konzentrierter die Erfahrungen zum Ende eines gelebten Lebens auf den Punkt bringt. Ich finde das alles spannend und ich will das auch wissen. Weil mich Künstlerbiographien schon immer interessiert haben. Aber trotzdem höre ich kein‘ Johnny Cash im Auto und biete nicht auf eBay auf seine Platten. Meine Aufgabe als Journalist sehe ich darin, zu versuchen, eine Balance herzustellen. Als wir beispielsweise mit Mixery im Internet angefangen haben, haben wir die komplette Gangster- und Kommerz-Seite weggelassen, weil wir uns gedacht haben, das machen die anderen schon. Da gab es noch Musikfernsehsender, die so was beleuchtet haben. Nachdem die aufgehört haben, sich darum zu kümmern, die HipHop-Sendungen eingestellt haben und auch keine Videos mehr spielen, hat’s irgendwann bei mir klick gemacht. Und ich habe gesagt: „Wenn die Balance nicht zwischen uns und einer anderen Sendung stattfindet, dann findet sie eben innerhalb unserer Sendung statt.“ Und seitdem decken wir die gesamte Bandbreite ab. Das heißt, der Kommerz-Rap findet genauso statt wie der Gangster-Rap, der Backpack-Rap oder der Fliegender-Delphin-Rap – und das ist nicht alles mein Geschmack. Entgegen meinem Image gefällt mir auch nicht jeder Backpack-, Conscious- oder sonst irgendein Studenten-Rappper. Wenn ich ehrlich bin, langweilt mich sogar extrem viel, was ich da höre. Weil die erzählen mir jetzt nichts Neues. Da ist mir dann ein stumpfer, brachialer Battle-Rap angenehmer. Kann ich mehr mit anfangen. Ich stehe auf Energie, und ich mag es, wenn Leute ihre Wut und ihre Aggression in etwas Positives wie einen Text verarbeiten. Es muss aber mit zynischem und sarkastischem Humor verarbeitet werden. Rumgeheule brauch‘ ich auch nicht.

rappers.in: Was feierst du denn momentan so?

Falk: Das ist ja bekannt, oder? Also, Morlockk Dilemma ist einer meiner Götter. Letztes Jahr auf dem Splash! hat mich einer einen halben Tag lang immer wieder gefragt, warum. „Warum der? Warum pushst du den denn? Es gibt doch noch ganz andere Rapper aus dem Osten!“ Irgendwann ist es mir so auf den Sack gegangen, dass ich ihn angebrüllt habe. „Pass mal auf, das ist der erste Rapper in 18 Jahren Deutschrap, den ich gut finde und im Auto pumpen muss. Und jetzt verpiss dich!“ Und das ist tatsächlich die Wahrheit. Ich meine, ich hab‘ alles gehört, ich kenne alles. Und manche Sachen wachsen im Nachhinein. Es gibt viele Deutschrap-Sachen, die haben mich ’96, ’97 nicht weiter interessiert. Ich habe die wahrgenommen, die kenne ich, aber damals war ich komplett auf Ami-Rap, was den Geschmack betrifft. Ich kann es heute, aber damals hat es mich nicht genug gekickt. Offenbar kann ich es erst jetzt gut finden. Es ging mir aber mit Ami-Rap genauso. NWA fand ich ’89 scheiße, jetzt liebe ich sie. Und so geht das mit vielem alten deutschen Rap. Aber dass ich mal einen Rapper höre und sage „Boah! Ist das krass, ich muss das hören, im Auto, wenn ich fahre!“ – da war er der erste. Und deswegen ist er da mein Gott. Gestern hab‘ ich Taktloss gesehen. Taktloss ist auf jeden Fall auch ein Wahnsinn – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Ausnahmekünstler. Der Klaus Kinski des Raps. Der ist auch ein Gott.

rappers.in: Woran liegt das denn, dass du alte Sachen neu für dich entdeckst?

Falk: Es findet so eine Form von Verschiebung statt. Das heißt, du befindest dich ja zu jedem Zeitpunkt deines Lebens in einem Entwicklungsstand. Dann bekommst du Input und diesen Input gleichst du dann mit deinem aktuellen Entwicklungsstand ab. Und dann passt das entweder ineinander oder nicht. Und das, was ich gelernt habe, ist: Wenn es mal zu einem Zeitpunkt nicht gepasst hat, dann passt es halt zu einem anderen eventuell. Wenn ich mir jetzt zum Beispiel das erste Album von den Massiven Tönen anhöre. Ich oute mich jetzt. Hat mir nicht gefallen. Tschuldigung, Schowi. Aber jetzt find‘ ich es gut. Jetzt kann ich es hören. Es funktioniert jetzt anders für mich. Wie gesagt, damals war ich auf dem Ami-Rap-Film und ich habe alles eins zu eins verglichen. Und das hat einfach nicht gepasst. Und heute bin ich da auf einer anderen Baustelle und sage: „Boah, krass! Wie weit die da schon waren! Wie krass die Beats geklungen haben und auch, was die da für Rhymes hatten!“ Ich hab‘ es einfach nicht erkannt, weil ich ignorant war und Birnen mit Äpfeln verglichen habe. Und eventuell kommt daher die Altersmilde. Je älter du wirst, desto milder wirst du ja Sachen gegenüber. Du merkst halt, dass du nicht alles sofort bewerten solltest. Du kannst es so machen wie Beckenbauer und sagen: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Oder du kannst einfach mal den Mund halten und sagen: „Spiel mir das noch mal in zehn Jahren vor, dann gefällt mir das vielleicht“. Es nimmt ja jetzt sogar so ekelhafte Formen an, dass ich mich mit Bands beschäftige, die ich 25 Jahre ignoriert und offiziell gehatet habe. Ja, und jetzt ist es das, was mich am meisten turnt. Der komplette elektronische Bereich – ich hab‘ es nicht zu 100% ignoriert, aber ich war absolut Anti-Techno und Anti-Rave und jetzt eben nicht mehr.

rappers.in: Hörst du da dann eher die alten oder die neueren Sachen?

Falk: Das bedingt sich. Es werden ja gerade extrem diese 80s-Referenzen verarbeitet und ich habe ja die ganzen 80s über mitbekommen, was die Musiker da so verzapfen, und fand es schrecklich. Außer natürlich der Rap-Musik. Aber sonst war fast alles eklig in den 80s. Ich bin Soundfetischist und die Klänge in den 80s waren komplett Plastik und ich konnte damals so gut wie nichts damit anfangen. Aber jetzt, wo ich moderne Elektro-, New Rave- oder Disco-Musik höre, bemerke ich diese Referenzen und finde sie killer. Und deshalb checke ich dann auch die ganzen 80s-Platten aus, die heute gerne Zitiert werden. Dabei stolper‘ ich auch automatisch über Entwicklungen und Musik, die ich damals nicht wahrgenommen habe, weil sie im Untergrund stattfand. Und damals war der „Untergrund“ auch noch wirklich Untergrund. Damals gab es ja kein Internet, im TV gab es nur drei Sender und im Radio auch keine Jugendwellen oder ähnliches. Wir sprechen von der medialen Steinzeit. Mich interessiert gerade sehr stark dieser Wechsel von Punk Bands, die angefangen haben, sich mit Synthesizern zu beschäftigen Ende der 70s. Also Human League, Gary Numan, Ultravox und so weiter. Auch die Einflüsse von Funk und Disco auf Punk-Musiker finde ich sehr spannend. So buddele ich mich durch Referenzlisten und grase alles ab, was sich finden lässt. Das wird dann auch gerne extrem nerdig und kann auch schon dazu führen, dass ich mir Litauischen Elektro Rock wie die Band Zodiac besorge. Und natürlich höre ich gerade auch alles, was es an neuem Zeug gibt. New Rave, Techno, House, Elektro, Dubstep, Bmore und alles, was es an seltsamen Zwischen- und Zwitterformen davon gibt. Das ist so etwas wie mein persönlicher Befreiungsschlag aus dem Analogen. Da gab es einfach kaum noch neue Sachen zu entdecken. Das heißt nicht, dass es schlecht ist, aber ich brauchte neuen Input. Neue Datensätze für meinen Geist und mein Herz und meine Seele zum Verarbeiten. Das ist gerade das Spannendste, was es gibt, weil da wirklich was passiert. Weil es schmutzig ist und laut wie Teenage Bad Girl oder auch ruhig und monoton tranceartig, fast so was wie ein Zwitter aus J Dilla und Minimal Techno. Nur eben in einem HipHop Tempo wie Comfort Fit. Ich habe dabei dasselbe aufregende Gefühl wie ich es hatte, als ich 1988 Public Enemy gehört habe. „Bring the noise“.

rappers.in: Hast du denn inzwischen herausgefunden, wo der Beruf aufhört und die Freizeit anfängt?

Falk: Nein. Das ist unmöglich. Es geht wirklich nicht. Es wird euch doch nicht anders gehen. Es geht nicht und eigentlich ist es doch auch völlig scheißegal. Weil für dich selbst stellt’s ja gar kein Problem dar. Nur du interagierst ja mit anderen Menschen, die haben dann einen 8:00 bis 16:00 Uhr-Job. Und die können das so überhaupt nicht kapieren.

rappers.in: Was für positive und negative Auswirkungen hatte der Wandel von Supreme bis hin zu Mixery Raw Deluxe online?

Falk: Ich muss dazu sagen, dass Supreme überschätzt ist. Für mich persönlich. Ich versteh‘ schon, warum die Leute das so gut fanden, aber ich glaube, die Leute wissen auch nicht, dass Supreme deshalb so war wie es war, weil die Umstände uns zu bestimmten Sachen gezwungen haben. Supreme sollte komplett anders aussehen. Das war auf dem Zettel komplett anders geplant, aber, da die Redaktion so klein war, die Schnittzeiten so kurz waren, mussten wir bestimmte Dinge anders machen als es geplant war. Und dabei ist das rausgekommen, was die Leute kennen. Das heißt, es war viel aufwändiger geplant. Das ist ja eine ganz simple Sendung. Ein Interview und dann zehn Videos dazwischen. Da sollten Raketen explodieren, Pimpampum, ’ne riesen Action. Und dann kam halt dieses zusammengedampfte Etwas raus. Eventuell war genau das das, was gut daran war. Mich würde mal interessieren, wie die Leute Supreme gefunden hätten, wenn wir es so gemacht hätten, wie es auf dem Zettel stand.

(Auf Grund des einsetzenden Regens begeben wir uns von draußen nach drinnen…)

Falk: So. Also, die Phase nach Supreme, in der wir Mixery Raw Deluxe gemacht haben, mit der bin ich, ehrlich gesagt, unzufrieden. Mit der war auch Staiger unzufrieden, der uns mal eine gepfefferte E-Mail schrieb, wie wir alles besser machen könnten… Problem war nur: Wir wussten das alles selber, aber auch hier waren die äußeren Umstände des Senders einfach so, dass wir nichts anders machen konnten als das, was wir taten. Wir hätten zum Beispiel mehr Schnittzeit gebraucht für die Inhalte, dann hieß es „spielt mehr Videos“. Das verringert den Schnittaufwand, aber eben auch gleichzeitig den redaktionellen Anteil an einer Sendung. Irgendwann war ich dann auch frustriert, weil, egal was ich probiert habe, es war halt nichts möglich. Wir waren in ein Format gezwängt, man konnte da nicht mehr raus und das hat mich frustriert. Ich denke, das hat man eventuell auch gemerkt. Und das führte dann auch zum Bruch. Deswegen bin ich dann gegangen, weil es so keinen Sinn mehr gemacht hat. In dieser Sender-Tretmühle unkreativ zu sitzen. Später hat sich dann Mixery Raw Deluxe als Sendung vom Sender getrennt. Und dann kam man auf mich zu und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, die Sendung zu produzieren. Und so begannen diese Online-Geschichten. Und da wiederum hatte ich vollkommen freie Hand und konnte es so aufziehen, wie es notwendig war. Da konnte ich die äußeren Umstände so beeinflussen, wie ich wollte. Und mir persönlich macht’s auch wieder extrem viel Spaß und ich merke auch, dass die Sendung nochmal anders funktioniert als damals. Damals war ich neu im HipHop-Bewusstsein, als ich Supreme gemacht habe. Ich war auch unsicherer. Die ersten drei Monate wurde ich komplett von den Zuschauern gehatet. Danach hat man es verstanden, dass ich ein HipHop-Interview ganz anders durchziehen wollte als bisher. Ich wollte, dass man HipHop ernst nimmt. Ich musste mich erst durchkämpfen, damit das Publikum auf mich klar kommt. Das gilt auch für die Künstler. Wenn man als neuer Interviewer auf einen Rapper trifft, dann weiß der ja nicht, wer du bist. Der kann dich nicht einschätzen, der ist eventuell misstrauisch und so weiter. Und jetzt über die Jahre: Die Rapper kennen mich, ich kenne sie und eventuell ist das wie bei Waldemar Hartmann beim Bayrischen Rundfunk. Der soll ja gezwungen werden, die Sportler nicht mehr zu duzen, was ich totalen Schwachsinn finde. Der macht den Job zwanzig, dreißig Jahre, der kennt die Sportler halt alle. Die haben den als Jugendliche schon als Reporter gesehen und jetzt werden sie von ihm interviewt. Da hat man natürlich gleich eine ganz andere Ebene, auf der man sprechen kann. Geht mir genauso. Marteria, Casper, Monroe, Plan B und so weiter kannte ich schon, da haben sie ihre ersten Schritte gerade gemacht. Kaas und Tua haben früher MRD geschaut. Deshalb kann ich einen ganz anderen Zugang zu den Künstlern gewinnen. Ich kann denen dadurch auch manchmal andere Dinge entlocken. Das ist eine Stärke, die ich halt jetzt nach den ganzen Jahren ausspielen kann. Deswegen finde ich, Mixery Raw Deluxe, so wie es jetzt ist, ist das Beste, was ich je gemacht habe.

rappers.in: Wir haben dieses Thema vorhin schon mal kurz angerissen, aber vielleicht kannst du noch mal näher drauf eingehen: Was ist denn dein persönlicher Anspruch hinter diesem Format?

Falk: Angefangen habe ich ja 1993, weil mich die Berichterstattung über HipHop abgeturnt hat. Weil die Journalisten keine Ahnung von dem kulturellen Hintergrund hatten. Sie haben nichts verstanden, weil sie nichts wussten. Und der Anspruch ist durchaus immer noch da. Nur, dass es jetzt mehr um den Blickwinkel geht, mit dem man auf HipHop schaut. Ich will etwas machen, was positiv für HipHop ist. Ich will etwas machen, was HipHop positiv darstellt, ohne jetzt die negativen Sachen komplett zuzudecken. Man muss Sachen auch sagen, die negativ sind. Aber ich hab‘ zum Beispiel keinen Bock, über den fünftausendsten Beef zu berichten. Das langweilt mich. Ich will nicht die Bildzeitung des HipHops sein. Ich find‘ das so notwendig wie einen Kropf. Und ich hab‘ meinen Newsredakteuren verboten, über Beef zu schreiben. Das gibt es bei MRD nicht. Was interessiert mich, wenn Max B in‘ Knast geht. Das ist doch scheißegal, wirklich. Und deswegen berichten wir darüber nicht. Weil, mal ganz abgesehen von der Relevanz eines Max B, Fakt ist: Das hat nichts mit HipHop zu tun. Dass er in den Bau geht, hat doch nichts damit zu tun, welche Art von Musik er macht. Wie er sich kleidet, und welcher Kultur er angehört. Das hat was mit Politik und Gesellschaft zu tun. Und ganz am Ende hat es eigentlich nur mit Max B, der Person, zu tun. Sein Problem und nicht HipHops Problem. Solange wie HipHop so ist, wie es gerade ist in Deutschland, also diese Geilheit auf Disses, solange muss ich das nicht noch weiter befeuern. Ja, ich frage in den Interviews nach den Beefs, aber ich versuche, rauszufinden, warum man sich streiten muss und ob es nicht auch andere Wege gäbe. Ich versuche, den Dampf aus dem Kessel abzulassen. Das ist mein Anspruch. Mein weiterer Anspruch ist: Ich will gute Gespräche führen. Wenn es mir gelingt, dann ist es kein Frage-Antwort-Spiel, sondern eine Unterhaltung zwischen zwei Personen. Und ich will den Mensch zeigen. Der Mensch, der hinter dem Rapper steht. Wer dieser Rapper ist, das interessiert mich. Das macht mich neugierig. In der Hoffnung, dass es andere interessiert. Wenn es sie nicht interessiert, hab‘ ich Pech, aber das ist mir dann auch egal. Ich kann sowieso nicht anders. Ich kann auch nicht aus meiner Haut.

rappers.in: Kannst du dir vorstellen, wieder zurück ins Fernsehen zu gehen? Siehst du da einen Weg für dich?

Falk: Ich mache doch Fernsehen. Fernsehen ist heute nicht mehr eingeschlossen in diese Kiste im Wohnzimmer. Heute siehst du das, was du sehen willst, über das Internet auf deinem Handy. Ich bin also längst da. Nur eben nicht auf den traditionellen, alten Kanälen. Wir machen das alles selber und wir erreichen damit mehr als das Vielfache der Zuschauer, die wir bei VIVA erreicht haben. MRD war nie so erfolgreich wie heute.

rappers.in: Stell dir vor, ein Fernsehsender bietet dir ein Konzept an. Gibt es da etwas, was dich besonders reizen würde? Beispielsweise eine Talkshow?

Falk: Klar, warum denn nicht. Ich kann ganz offensichtlich gut mit Menschen sprechen, das ist mein Naturell. Menschen öffnen sich mir gegenüber gerne. Das muss ja nicht auf HipHop begrenzt sein. Wieso sollte ich denn nicht auch einen Jürgen Vogel dazu bringen, sich zu öffnen. Wie gesagt, das ist ein Talent, das mir offensichtlich in die Wiege gelegt wurde, dass Menschen schnell Zutrauen zu mir haben und sich mir öffnen. Deswegen: Klar kann ich mir solche Talkshow-Formate vorstellen. Was ich nicht kann, ist moderieren. Ich muss aber auch nicht vor der Kamera stehen. Ich hab‘ auch Ideen für Formate, wo ich einfach nur der Produzent bin. Und das muss auch nichts mit Musik zu tun haben. Es sollte etwas mit popkulturellen Inhalten zu tun haben, es kann aber auch gerne etwas mit Politik zu tun haben. Es kann auch gerne etwas mit Kochen zu tun haben. Alles kein Problem. Oder ein Wissenschaftsmagazin. Sendung mit der Maus. Finde ich super.

rappers.in: Wie sieht denn dein A&R-Job bei Melting Pot Music aus?

Falk: Im Augenblick ruht der. Das hat mit zeittechnischen Problemen zu tun. Ich komm‘ augenblicklich nicht mehr dazu, mich darum zu kümmern. Aber es hat auch mit meinem persönlichen musikalischen Geschmack zu tun, der sich einfach im Laufe der letzten eineinhalb Jahre gedreht und gewandelt hat. Mich interessieren im Augenblick einfach ganz andere Sachen als der neueste Funk-Track. Und deswegen kommt da nicht so viel. Ich entdecke nicht so viel neue Funk-Sachen, die ich dann dort abliefern könnte, oder interessante Break-Sachen. Und deswegen passt das nicht ganz so richtig. Aber es gibt nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis. Ich verfolge, was da passiert, bekomme auch die Platten geschickt.

rappers.in: Am Schluss eines Interviews kommt ja immer die berühmt-berüchtigte letzte Frage. Hast du denn eine Alternative zu den üblichen abschließenden Worten für uns?

Falk: Man überlegt sich ja immer, wie kann man alles ganz toll neu erfinden und ganz toll neu machen und so. Also ich interviewe Leute seit circa sechzehn Jahren. Mir ist nichts Neues eingefallen. Ich bewundere Leute, die das hinkriegen, aber: Nein! Schwierig. Ist dir was eingefallen?

rappers.in: Nein. Wir hatten auf dich gehofft.

Falk: Es tut mir leid, dass ich versage, aber es besteht ja im Grunde alles aus Techniken. Die Technik, die du jetzt angewendet hast, ist, mir den schwarzen Peter zuzuschieben. Im Grunde soll ich deinen Job machen. (Gelächter) Spannend wäre, wenn man das komplett umdreht. Den Künstler das Interview komplett mit sich selbst führen lässt. Das ist nur nicht so einfach, die Bereitschaft dafür zu bekommen. Aber es gibt ja Massen von Fragetechniken. Du kannst ja auch auf ’ne Journalistenschule gehen und die bringen dir dann alle Techniken bei. Ich glaub‘, wenn wir keine neuen finden und alle anderen auch nicht, eventuell gibt es dann keine neuen.

rappers.in: Denkst du denn, man kann Interviewen auf einer Journalistenschule lernen?

Falk: Ich weiß es nicht. Ich bin nie auf eine gegangen.

rappers.in: Ich denke, das Wichtigste ist die Kreativität und das kann man, glaube ich, nicht wirklich lernen.

Falk: Ja, Kreativität ist das eine, da stimm‘ ich dir zu. Aber eine gesunde, solide Basis vermittelt zu bekommen, ist ja auch nicht schlecht. Ich hab’s auch nie gemacht. Ich bin auch nie auf eine Journalistenschule gegangen oder studieren oder sonst irgendwas. Aber das ist auch ein Ding, was ich bereue, im Sinne von: Eigentlich hätte ich es machen müssen. Es wäre besser gewesen. Mein Abitur machen, studieren gehen. Es wäre besser gewesen – glaube ich.

rappers.in: Was hättest du denn studiert?

Falk: Das ist auch wieder die Sache, die sich über die Jahre entwickelt. Jetzt interessieren mich wirtschaftliche Sachen, damals hätten mich… (Schweigen) Ich wär‘ wahrscheinlich gar nicht hingegangen. Ich wäre eingeschrieben gewesen, wie andere Studenten auch, und wäre feiern gegangen. Vielleicht sollte ich jetzt mal anfangen, studieren zu gehen. Man kann sich ja auch einfach so reinsetzen in Vorlesungen.

rappers.in: Um noch mal auf die Journalistenschule zu sprechen zu kommen: Diese ganzen grundlegenden Dinge wie Umgang mit Menschen, wie andere denken, wie du auftrittst… Das lernst du da überhaupt nicht. Wenn du schreiben kannst, wenn du von Natur aus Talent für dieses Ding hast, dann kannst du dahin gebracht werden, wo du als Journalist hin musst, im Idealfall. Und ich glaub‘ auch, dass deine Sachen nicht besser oder komplett anders gewesen wären, wenn du dahin gegangen wärst.

Falk: Ich stimme dir zu. Du musst das von selber schon können. Wenn du kein Talent dafür hast, dann brauchst du da nicht hingehen und das üben. Das ist schon richtig. Das Talent muss dir mitgegeben sein. Menschen sind ja gerne auf der Suche nach sich selbst, nach dem Sinn in ihrem Leben und das ist eigentlich nichts anderes, als auf der Suche nach dem zu sein, was man besonders gut kann. Was sozusagen die Aufgabe, oder noch genauer, die Berufung eines Menschen ist. Wenn du das gefunden hast, ist das schon sehr gut. Aber das heißt nicht, dass du automatisch gut bist. Wenn es deine Berufung ist, ein Arzt zu sein, dann reicht das alleine in dem Beruf nicht aus. Du brauchst eine Ausbildung, du brauchst Detailwissen, um deiner Berufung nachzugehen. Bei Journalisten ist das natürlich weniger schwierig, aber es kann sicher nicht schaden, zu wissen, dass es gewisse Techniken gibt. Aber es ist nicht zwingend notwendig wie beim Arzt, um den Job auszuüben. Warum ich bedauere, nicht studiert zu haben ist, weil ich denke, dass mir bestimmte Informationen und Ideen wahrscheinlich nicht zuteil wurden. Bestimmte Zusammenhänge, Theorien, philosophische Ideen und so weiter. Das würde mich schon interessieren.

rappers.in: Dabei ist dann so für mich das Wichtigste – egal in welchem Fach –, dass du die Dinge immer wieder aus einer anderen Sicht betrachtest. Sachen übern Haufen werfen und noch einmal komplett neu erfassen. Und das ist eine Eigenschaft, die musst du können. Die kannst du kaum lernen, aber du verlierst sie leicht.

Falk: Empathie. Wobei, Empathie bedeutet für viele Menschen, dass sie sagen: „Oh mein Gott. Dieser Person ist das und das passiert. Wenn das mir passiert wäre, würde ich mich jetzt so und so fühlen.“ Aber was sie dann nicht begreifen ist, dass sie sich eben nicht in die Person hineinversetzen und so empfinden wie die andere Person empfindet, sondern immer nur abfragen, was sie selber in der Situation empfunden hätten. Dabei vergisst man nur, dass die andere Person eben eine andere Person ist. Das ist der entscheidende Unterschied. Empathie bedeutet für mich, dass man sich so in eine andere Person hineinversetzt, dass man es mit den Augen der anderen Person sieht, und nicht mit den eigenen. Man muss sich also mit den fremden moralischen Bewertungsgrundlagen befassen, und nicht mit den eigenen. Das führt zu wahrem Verständnis, alles andere ist nur der Anschein von Verständnis. Das bedeutet allerdings auch, dass es einem möglich ist, die Dinge zu verstehen, die für einen selber eigentlich nicht nachvollziehbar sind. Und ich glaube, die erste Form der Empathie, die ich beschrieben habe, ist angeboren. Die ist nicht erlernt. Die zweite Form, die ich beschrieben habe… Ich weiß nicht, ob man die erlernen kann. Das ist noch eine offene Frage bei mir, deren Antwort ich aber schon lange suche. Ich weiß nicht, ob man das lernen kann. Meiner Meinung nach kann man das, wenn man mit einer Form von emotionaler Analytik drangeht. Aber sagen wir mal so: Ich werde gerne in meinem Alltag eines anderen belehrt.

rappers.in: Meiner Erfahrung nach können das viele nicht. Und bei vielen kann ich mir das auch nicht vorstellen, dass die das je lernen. Ich glaube, du brauchst zumindest eine Basis, auf der du aufbauen kannst.

Falk: Das Problem ist, ich sehe solche Menschen überall. Diese Menschen reflektieren sich selber nicht. Und deshalb scheitern sie. Wenn ich nicht weiß, wer ich bin, dann renne ich in Richtungen, in denen ich nichts zu suchen habe. Daher kommt ja auch der Großteil dieser Leute in Castingshows. Ich will Superstar werden. Die sehen nur das außen rum. Mein Geld, mein Ruhm, mein Haus, mein Luxus, mein Ansehen und so weiter. Die kapieren nicht, dass sie nur Marionetten sind in einem Entertainmentsystem, dass sie auf dem Jahrmarkt der Skurrilitäten vorführt. Seht her, die bärtige Frau. Die kapieren nicht: „Passe ich da wirklich rein? Ist das mein Weg?“. Die versuchen, in diesen Beruf zu gehen, weil das Image geil ist. Die haben aber null Plan. Weder von sich, noch von dem Beruf, noch von Kunst. Die sind ein Opfer ihrer eigenen hedonistischen Konsum- und Imagegeilheit.

rappers.in: Bist du der Meinung, davon gibt es im HipHop besonders viele?

Falk: Massen. Aber das ist nichts HipHop-spezifisches. Das ist ein menschliches Trauerspiel, das überall stattfindet. Überall gibt es Leute, die nicht in der Lage sind, sich selber zu erfassen – zu reflektieren. Woran auch immer es scheitern mag.

rappers.in: Wir waren ja vorhin schon mal bei den abschließenden Worten. (Gelächter) Und sind dann etwas abgeschweift. Du bekommst jetzt einfach die dümmste Frage der Welt.

Falk: Ja bitte, die will ich hören.

rappers.in: Die Letzte-Worte-Frage. Die ist einfach unglaublich platt.

Falk: Nein, man muss auch mal dazu stehen, blöde und platte Fragen zu stellen. Weil eigentlich gibt’s ja gar keine blöden Fragen. Man muss auch mal zu Standards stehen. Die sind nicht blöd, nur weil sie jeder stellen kann. Aufgrund der Reaktionen kannst du dir ja auch wiederum ein Urteil von der befragten Person bilden. Also, meine Lieblingsreaktion ist: „Kauft meine neue Platte“. Okay. Aber es gibt Leute, die einen wirklich überraschen mit den letzten Worten. Hm, meine letzten Worte. Ich muss jetzt tief blicken lassen… Ich hab‘ nichts parat. Kauft meine Platte. Danke für das Interview.

rappers.in: Wir danken dir!

(Florence Bader & Pauline Staigle)

Quelle: http://www.rappers.in/Falk-304_Interview.html

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